Fragestellungen zur elterlichen Verant­wortung

In den letzten Jahrzehnten ist die Rechtsprechung für den Bereich der gemeinsamen versus der alleinigen elterlichen Sorge mehrfach reformiert und dem gesellschaftlichen Wandel angepasst worden.

Psychologische Fragestellungen an Sachverständige ergeben sich in diesem Bereich im Wesentlichen daraus, dass von Eltern Anträge auf die Überführung der gemeinsamen in die alleinige elterliche Verantwortung gestellt werden oder ein bislang nicht in die elterliche Verantwortung eingebundener Elternteil in diese mit eintreten möchte. Darüber hinaus gibt es weitere spezielle Konstellationen, z. B. wenn hauptbetreuende Verwandte oder Pflegeeltern zukünftig die Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung für das Kind übernehmen möchten.

Da der Gesetzgeber sich bei den diesbezüglichen Entscheidungsschwellen für die Regelungen zur elterlichen Verantwortung an der günstigsten Variante für das Kindeswohl orientiert, eruieren wir Vor- und Nachteile der alternativen Regelungen für die Entwicklung und das Erleben des Kindes und wägen diese Aspekte im Hinblick auf die zukünftige Perspektive miteinander ab.

Als Voraussetzung für eine am Kindeswohl orientierte gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung wird eine ausreichende Erziehungsfähigkeit beider Elternteile angenommen und im Rahmen der Begutachtung geprüft. Ferner sollte zumindest die Aussicht bestehen, dass in absehbarer Zeit oder durch geeignete Beratungsmaßnahmen eine Kommunikation und Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit der Eltern in einem Maße (wieder-)hergestellt werden kann, dass die elterlichen Konflikte in Bezug auf Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung für das Leben des Kindes nicht mit signifikanten Belastungen des Kindes einhergehen. Solche Belastungen sind typischerweise akutes Stresserleben wegen des elterlichen Streites und Loyalitätskonflikten. In einigen Fällen kann es gar zu medizinischen Doppelbehandlungen eines Kindes oder zu nicht beilegbaren Uneinigkeiten über den Besuch einer Kita oder Schule kommen, die auf ein Kind massiv verunsichernd wirken können.

Im Einzelfall muss belegt sein, wie das Konfliktgeschehen das Kindeswohl berührt und die Belastungen für das Kind durch eine Veränderung der Verteilung der elterlichen Rechte und Pflichten gemindert werden können. Das umfasst auch die Option zu empfehlen, dass nur einzelne Bereiche der elterlichen Verantwortung von einem Elternteil allein übernommen werden sollten (z. B. die Entscheidung zum Aufenthalt bei streitigem Lebensmittelpunkt oder die Entscheidungen zur Gesundheit bei Uneinigkeit über die richtige Behandlung), weil dies ausreicht, die für das Kind günstigsten Voraussetzungen für seine weitere Entwicklung zu schaffen. Anders sähe dies aus, wenn es verfestigte und häufig eskalierte Spannungen zwischen den Eltern (Stichwort: Hochkonflikthaftigkeit) bezüglich aller wesentlichen Entscheidungen zur Kita, Schule oder zu medizinischen Behandlungen gäbe, in die das Kind direkt und indirekt einbezogen wird und Beratungsversuche in der Vergangenheit nicht wirksam waren.

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